Das enthemmte Wissen

AUF EIN PAAR TAKTE RAUSCH UND KLARHEIT – NEUE TEXE 2008/2009

TOKIO HOTEL
Zwillinge im Interview: "Viele haben ein vorgefertigtes Bild von uns"
23.10.2009, 17:24, Text: Kerstin Grether, Sandra Grether, Foto: Katja Ruge

Zwillinge sind eine Herausforderung. Weil so gleichstark, proto-verwegen und Verwechslungsgefahr droht. Seit Jahren begeistern und polarisieren auf der Doppelidentität nunmehr Tokio Hotel. Kerstin und Sandra Grether, die Intro-eigene Zwillingsmacht, trafen die beiden in Hamburg und erklären das Phänomen, die Musik und den ganzen Rest.

Was wohl Außerirdische sagten, wenn sie von einem neugierigen Planeten "Ach, guck mal" auf die Erde geschickt würden, um das Phänomen Tokio Hotel zu beschreiben? Gut möglich, dass sie in den ersten beiden Alben jener "beliebtesten und unbeliebtesten Band Deutschlands" (FAZ) viel Schönes entdecken könnten.

Denn seit Nenas epochalem Frühwerk ist es keiner anderen deutschsprachigen Band mehr gelungen, so alltags-rebellischen Fantasy-Rock für eine junge, vornehmlich weibliche Zielgruppe zu produzieren. Noch dazu in einem originellen Stilmix, der durchaus auch ästhetisch mehr Ansprüche an sich selbst stellt als bloßes Funktionieren.

What It Feels Like For A Girl, Boy
Vor allem aber wären jene Außerirdischen wohl äußerst verblüfft darüber, dass ein Lederjacke zu Lidstrich und Langhaar-Dreadlocks tragender Pop-Sänger plötzlich wieder Himmel und Hölle in Bewegung setzt und polarisieren kann - nur weil es ihm Spaß macht, auch seine weiblichen Attribute zu betonen.

Die Außerirdischen würden sich womöglich an die Anfänge dessen erinnern, was wir Pop-Kultur nennen: an die Dekade nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Amerikaner das Wort "Teenager" als Marketingbegriff erfanden und die Presse den Massenhysterie auslösenden Frank Sinatra ständig anpöbelte, weil er keine Uniform trug und nicht im traditionellen Sinne maskulin wirkte. Denn jetzt mal angenommen, auf dem fernen Planeten gäbe es Fernsehen, Medien und Popkulturgeschichte: Würde unseren Außerirdischen dann nicht auffallen, dass die Verwischung von Geschlechtergrenzen doch jahrzehntelang zu den leichteren Übungen im Feld der Pop-Kultur gehörte? Vom bleichen, bisexuellen Bowie bis zu Green Days' Billie Joe Armstrong: Der "Crush With Eyeliner" (R.E.M.) hat beim männlichen Publikum stets für höchste Credibility-Werte gesorgt und in den künstlichen angloamerikanischen Galaxien des Pop schon lange keinen mehr aufgeregt. Bis zu Tokio Hotels mutigem Ritt durch den Monsun der deutschen Authentizitätshölle.

"Viele Leute haben ja ein Bild von uns und reagieren dann ganz automatisch. Vor allem in Begegnungen, die den ganzen Tag automatisch ablaufen." (Bill Kaulitz)

Da gefriert unseren Außerirdischen bei ganzem Leib und mechanischer Seele mal kurz das Blut in den Adern. Sie stellen sich vor: zwei schillernde, coole Fabelwesen auf einem ostdeutschen Kleinstadtschulhof, circa 2005, im tolerant-mobbenden Aggropocherwunderland, in diesen sumpfigen Nullerjahren der großen Koalitionen, mit all den Erwachsenen drum herum, die Authentizität und Vernunft rufen, um den ganzen eigenen Wahnsinn nicht zu fühlen ...

Und was kann man einem 15-jährigen Mädchen, das mit Internet-Pornografie und Frauen-verhöhnenden Rap-Nummern in den Charts aufgewachsen ist - in einer Zeit also, in der "Hure" zu einem anderen Wort für Frau werden konnte -, dann anderes wünschen als diesen romantischen, gitarrenriffigen, sexy Schrei nach Selbstbestimmung, in den Tokio Hotel ihre Erfahrungen mit alltäglichen Widersprüchen auf Provinzschulhöfen bereits mit eingeschrieben haben? Ja, Individualismus ist ein hohes Gut im Universum Tokio Hotel. Ist das, womit das verschieden gestylte Zwillings-Gespann das Format "Teenager-Band" gesprengt und neu erfunden hat. Ist das, was die zumeist weiblichen Fans wirklich interessiert: Wie macht man das - einen eigenen Weg gehen?

Denn man hätte es sich angesichts der enormen Polarisierungskräfte der vier Emoboys ja schon denken können: Die Fans von Tokio Hotel sind keinesfalls nur kreischende Honks. Sie können ihr Fantum und die Band oft kritisch und humorvoll reflektieren, wie man schnell bemerkt, wenn man sich durch die Fan-Foren klickt. Was all die höhnischen und erschreckend homophoben Stimmen in der Öffentlichkeit - wie immer in Fällen von Teen Scream - nicht davon abhält, den Mädchen ständig zu unterstellen, sie wären auf einen gigantischen Schwindel hereingefallen. Die Rebellion gegen solch öde Besserwisserei, gegen diesen ganzen stumpfsinnigen, sexualneidischen, männlichen Anti-Pop-Reflex ist aber längst Teil des Fan-Codes! Und schärft, wie bei jeder intensiv gelebten Subkultur, die sich gegen massive Widerstände behaupten muss, alle fünf Sinne für ein eigenständiges und kreatives Dasein (und den sechsten fürs Vorausahnen von Gefahren noch dazu).

Aber so, wie der Rock'n'Roll tausend Tode stirbt, so macht die Zukunft tausend Anfänge: Es ist sicher kein Zufall, dass Tokio Hotel jetzt in ihrer glücklich-abgründigen Science-Fiction-Hymne "The Dark Side Of The Sun" (deutsche Version: "Sonnensystem") Frank Sinatras "My Way"-Evergreen zitieren, während sie ihre eigenen glorreichen Wege nachzeichnen: "Hello! The end is near, hello, we're still standing here - the future's just begun, on the dark side of the sun."

Humanoid
"Humanoid", also maximal menschenähnlich, nennt sich das dritte Album, auf dem die Band es wagt, den bekannten TH-Sound auf erwachsene und verspielte Weise zu verändern. Es enthält jede Menge perfekter Pop-Songs im Goth-Rock-Gewand: hübsch und kränk, komplex und zum Mitsingen, bedeutungsleer und voller Bedeutungen, und all das zur selben Zeit. Was sicherlich auch ein Einfluss von renommierten internationalen Songwritern wie Guy Chambers (of Robbie-Williams-Fame), Desmond Child oder The Matrix ist, mit denen TH und ihr Songwriter-Team für ein paar Songs kollaboriert haben. Der gitarrengetriebene Hit "Automatisch" klagt mit Electro-Beats und hochfliegendem Gesang mimetisch das Maschine-Werden eines Gegenübers an und feiert zugleich wie in Trance sein All-out-of-love-Sein. Und das bereits erwähnte Glam-Rock-Manifest "The Dark Side Of The Sun", das sich auf Terry Pratchetts gleichnamigen Roman bezieht, toppt selbst Klassiker des Glam Rock, weil das größenwahnsinnige panische Szenario, das darin entworfen wird - dieser niedliche und krasse Tokio-Riot -, ja bereits in vollem Gange ist: "On the TV, in your place, on the radio oh. It's a riot, it's a riot, they say no, oh." Das "radio-hysteria" verkündende Lied verfügt über die Fähigkeiten des sogenannten perfekten Pop-Songs, das Außergewöhnliche aus dem Gewöhnlichen zu destillieren. Und gibt eine würdige Antwort auf dieses Style-konservative Rock-Jahrzehnt, das seine Superstars ständig sucht und verflucht - und dann nicht anders kann, als sie für ihre Individualität entweder zu lieben oder lieber doch zu hassen.

Es sind die Song gewordene Kombination aus Spontaneität und Strategie und der hohe Grad an selfmade Stilisierung, die Bill und Tom Kaulitz zu weltweiten Superstars in der boulevardisierten Pop-Manege machen. Das Ideal dieser Dekade besteht ja darin, extreme Emotionen kunstvoll kanalisieren zu können, eine Stimme zu haben, die zählt. Bill Kaulitz' Stimme und seine berüchtigten anrührenden Blicke haben dabei nichts von der eitlen Kälte, mit der David Bowie oder HIM-Sänger Ville Vallo einst ihre Kriegsbemalung trugen. Er bestürzt und beflügelt durch Herzlichkeit und Humor. Und macht Fans in aller Welt süchtig nach seiner und Toms medialer Präsenz auf Abertausenden Dokumenten im Netz. Zumal Zwillinge seit jeher als starke Projektionsfläche für die Wünsche der Gesellschaft benutzt werden. Die Umwelt sieht in ihnen etwas Besonderes, behandelt sie dadurch als Außenseiter und bekämpft gleichzeitig die Symptome dieses besonderen Status'.

Twin Power
Mensch, wir sind ganz schön aufgeregt vor dem Interview, wir treffen ja nicht jeden Tag eineiige extravagante Zwillinge, die wie wir aus einem Dorf vom Ende der Welt kommen, kaffeesüchtig und sonnenscheu sind und die darauf stehen, einen Aufstand zu initiieren.

Dann tauchen Tom und Bill plötzlich vor uns auf, wirklich wie sehr große dunkle Engel, in viel Schwarz gekleidet, mit auffälligen Weiß-Kontrasten. Wie mimetisch mit ihren zwischen Licht und Dunkel changierenden Liedern. Die Boys wirken sehr nett, sind zu Scherzen aufgelegt und auch etwas nervös an diesem frühen Interviewtag. Sie strahlen extrem viel Energie aus, sodass sich schnell ein lebhaftes Gespräch entwickelt. Drummer Gustav und Bassist Georg sind nicht dabei - ist ja auch ein Zwillingstreffen.

Was bedeutet "Humanoid" für euch?
B: Der Song hat wahnsinnig viele verschiedene Melodien und Einflüsse. Und genau das bedeutet "humanoid" für uns: ein Gefühl von Hin- und- Hergerissen-Sein und Nicht-wissen-wo-man-hingehört. Wir haben uns von den typischen Songstrukturen freigemacht und das Lied wie eine Geschichte aufgebaut: mit Höhen und Tiefen.

Wie kam es überhaupt zum neuen Sound?
T: Wir wollten einfach mal ein paar andere Sachen ausprobieren. Dafür hatten wir die besten technischen Möglichkeiten. Unser Ziel war es, fette Songs zu haben und soundweltmäßig etwas Neues reinzukriegen.
B: Es war echt so viel Detailarbeit. Wir haben die letzten Tage fast nicht geschlafen und bis zum Schluss daran herumgeschraubt. Tom und ich haben bei dem Album ja auch ko-produziert!

Wie hat man sich bei euch den Prozess des Songwritings vorzustellen?
T: Früher sind 90 Prozent unserer Songs auf der Akustikgitarre entstanden, und man hat dann zusammenhängend im Studio geschaut, wie man sie umsetzt. Diesmal war es so, dass wir im Studio direkt komponiert und recordet haben.
B: Unsere Produzenten haben uns beispielsweise etwas vorgespielt und gesagt: so und so in die Richtung. Dann hat Tom dazu eine Gitarre gespielt, oder ich habe etwas dazu gesungen. Es war ganz unterschiedlich, wie die Songs entstanden sind.

Der Song "Automatisch" klingt so, als wolltet ihr die Projektionen zurückgeben, die manche Leute auf euch als Star-Typen oder als Band haben: dass ihr "gemacht" seid, wie 'ne Maschine funktioniert usw.
B: Super, dass das jemand erkennt! Genau so ist das Lied gemeint. Viele Leute haben ja ein Bild von uns und reagieren dann ganz automatisch. Vor allem in Begegnungen, die den ganzen Tag automatisch ablaufen. Man kriegt ja ganz wenig Echtheit aus Leuten raus, wenn man sie trifft.

Tokio Hotel müssen ja den Anforderungen eines erfolgreichen internationalen Acts gerecht werden. Eurer Auffassung einer Pop-Inszenierung kommt das offensichtlich entgegen ...
B: Klamotten, Songtexte, Musik: Das gehört für mich alles zusammen. Es geht ja insgesamt um ein Gefühl, das man transportieren will. Ich mach auch total gern selbst Fotos und hab Bock auf den ganzen Modekram. Man kann sich auf diese Weise immer so viele kleine Träume erfüllen.

[zu Bill] Wir hatten die Theorie, dass du in seine Frisur-Richtung gegangen bist, weil er nicht in deine gehen wollte.
T: [lacht] Sagen wir mal so: Ich war mein ganzes Leben so 'ne Art Vorbild für Bill.
B: Als ich mich für die Dreadlocks entschieden hab, hab ich überhaupt nicht an seine gedacht - weil ich seine furchtbar fand! Das waren ja so Naturdinger. Und ich wollte ganz andere haben.

Gab es in eurem Leben als Zwillinge mal eine Phase, in der ihr nicht aufgefallen seid?
B: Wenn man alleine unterwegs war, dann war das nicht so ein großes Thema. Aber wenn man zusammen auftaucht, dann unterhalten sich natürlich alle über einen. Auch, weil wir beide so verschieden aussehen.
T: Das war schon früher so.
B: Es gibt ja nichts Schöneres, als eineiige Zwillinge zu sein. Ich kann mir das gar nicht anders vorstellen. Tom und ich, wir sind so eins, wir sind so seelenverwandt. Ich kann nicht einen Tag ohne ihn auskommen!

Neben all der Begeisterung, die das auslöst, gibt es sicher auch viele Leute, die Angst vor dieser starken Einheit haben.
T: Das ist uns oft begegnet, auf jeden Fall! In der siebten Klasse wurden wir aus genau dem Grund strafversetzt. Die Lehrer haben gesagt, unsere Meinung sei ihnen zu stark.
B: [lacht] Wenn Tom und ich eine Meinung haben, dann kommt man daran nicht vorbei. Das ist schon hart. Auch für die Leute im Team.

Euer zwillingsbedingtes Zusammenhalten entspricht offenbar nicht den Normen einer Konkurrenzgesellschaft.
B: Ja, das ist schon was Besonderes.
T: Alle Leute haben immer gedacht: Wie krass sind die Typen unterwegs, dass die, wenn die so unterschiedlich gekleidet sind, überhaupt miteinander sprechen.
B: So nach dem Motto: Wieso rennt einer, der offensichtlich HipHop hört, mit so 'nem Typen rum, der angemalte Augen hat?

Damit lebt ihr ja die Vision einer wirklich toleranten Gesellschaft. Weil, es wär ja toll, wenn sich so HipHop-Typen und so feminine Typen verstehen würden.
B: Verstehen würden, ja, genau!
T: Ich glaube, Leute könnten sich unglaublich gut ergänzen, wenn sie sich mehr zusammentun würden. Dadurch, dass jeder Gott sei Dank auch unterschiedliche Meinungen hat, ergänzt man sich unheimlich gut.

Schon schockierend, dass euch die Lehrer gedisst haben. Die hätten euch doch vor dem Mob beschützen müssen!
B: Ja, genau, stattdessen hat der Lehrer, als wir strafversetzt wurden, den Schülern sogar gesagt, sie sollen Tom in seiner neuen Klasse ausgrenzen.
T: Das kam neulich erst raus! Mein bester Freund ging in die Klasse, und der hat mir das erzählt.
B: Wir haben das aber nicht zugelassen.
T: Wir haben immer polarisiert. Das war eine gute Vorbereitung für heute.
Für diesen Mut lieben euch ja auch die Fans. Und es ist toll, dass ihr die Mädchen dazu inspiriert, selbst richtig kreativ zu sein.
B: Überall, wo wir sind, drücken sie uns ihre Songtexte und Demos und Zeichnungen in die Hand. Das ist echt cool.

Die Außerirdischen funken zu ihrem Planeten: Einst haben Tokio Hotel die Schulhöfe durcheinandergebracht; "Humanoid" aber könnte auch die erwachsenen Zweifler überzeugen, die bislang nur die blanken Posterboys in ihnen gesehen haben. Tokio Hotel sind zu gut fürs bloß Guilty-pleasure-Sein. Eine der letzten Wahrheiten, die diesem Jahrzehnt noch abzuringen ist.

 

 

DAS GEHEN IST EIN LIED! EINE SOMMERMEDITATION
2RAUMWOHNUNG

Inga Humpe: „Alles aus“ handelt von superwichtigen Momenten, in denen man erkennt, hier geht’s echt nicht weiter an dieser Stelle. So ein Moment kann sehr intensiv sein, weil der so viel Klarheit bringt, dass man sagt: hier leb ich nicht weiter! Dann geh ich woanders hin. Aber es geht genau darum, dass aus der Zerstörung was Neues entstehen kann.“
   Das Gehen ist ein Lied in mir. Der Sommer stürzt mit kleinen, grellen Stücken Wüste durch die Stadt. Und ich bin high, ohne Droge, und ohne Drohung.  High nur vom neuen 2raumwohnung-Album „Lasso.“ Lasso fängt mich ein, Lasso kriegt mich: ja, ich will Menschen mit himbeerfrischen Gefühlen, ich will Großstadtbuschtrommeln, ich will aussteigen aus der Hölle.
Ich will nicht wissen müssen, was kommt, um endlich abhauen zu können. Das überlasse ich Leuten mit Sicherheitsdenken, die vor lauter Sicherheit nicht mehr denken. Der Sound, die Stimme und die Texte von Lasso stärken mein Rückgrat: ich wandere durch den Hurricane deiner Seele; ich will nicht Social Distortion, ich will keinen, der mir unbewußt die Träume klaut, nur weil er selber keine mehr hat.
   Ich will vielmehr wahrhaben – und hellbunte Buschfeuersongs helfen mir dabei – dass alles aus ist, wie in diesem Song „Alles aus“: „Mit ein paar Grüßen aus der Hölle, ein Nebel aus der dunklen Welt, an einer großen kalten Welle, hab ich mein schönstes Ziel verfehlt.“
Ein Song wie eine Trauerminute: „Der Fluss hört kurz auf zu fließen. Soldaten hören kurz auf zu schießen. Eltern hören kurz auf zu schlagen. Der Nachrichtensprecher hat kurz nichts zu sagen, alles aus. Schmetterlinge liegen am Boden und ich tret drauf, alles aus.“
Nur ein tiefes Trauma fühle ich noch: mitschwingen oder gar nicht dabei sein, als existentielles Grundproblem. Überwachen und Strafen oder an die Kälte verraten werden. Weil eine Narzisse, wie aus der Familie, immer noch wütet, in meinem Leben: „gib mir deine Farben, ich geb Dir meinen Tod!“ Aber ich werde den Strudel der Ereignisse unterbrechen, und alles ändern, was mich stört, um nicht mehr auf die Schmetterlinge am Boden zu treten, wie auf einen Fußabdruck meiner Seele. Das Taumeln tut gar nicht weh. Der Schrecken wird sich auflösen, und in etwas Schönes verwandeln. Das ist die Gewissheit, die ich fühle, wenn ich dieses Lied höre; das lockt mit seinem absichtsvoll chaotischen Refrain: wenn der Fluss, als Sinnbild des Lebens, kurz nicht mehr fließt, hören dann erst die Eltern auf zu schlagen ? Muss man den Fluss des Lebens erst unterbrechen, damit die Soldaten nicht mehr schließen, und tut der Depressive das nicht sowieso ohne Unterlass? Und wenn der Nachrichtensprecher kurz nichts zu sagen hätte, dann... - Das Unvorstellbare bleibt weiterhin das Gute, und nicht das Böse.
Denn auch 2raumwohnung, also Inga Humpe und Tommi Eckart, wissen, dass man die positiven Gefühle nicht nur aus dem Positiven schöpfen kann. Es gibt mehr Dagegenhalten und süße Provokation auf diesem Album, mehr Nebel und Düsternis als früher; kleine, offene, aber nie spitze bösartige Sarkasmen. Und zum ersten Mal Bläser und Klarinetten und ein Groove, der hauptsächlich von großen Trommeln kommt, und zum Voodoo-Sommertanz lädt. Wie immer gelingt es dem Duo, Elektronisches mit Handgemachtem so zu verbinden, dass es organisch klingt. Nur eins gibt es nicht: Gefangenschaft. Trotz Lasso!
Durch wessen Bewusstsein wanderte ich, und wie geht es jetzt weiter? Ein paar sonnenweiche Flecke Tageslicht liegen vor uns auf dem Holztisch in der Berliner Bar 25, das Popduo das so bestürzend wahre Gefühle in mir beschleunigt hat, sitzt neben mir, und ist wie immer hell und freundlich und gibt offen über Intentionen Auskunft. Tommi: Wir hatten uns vorgenommen: keine Impulskontrolle, nur nach den Impulsen spielen.“
Inga:“ Wir hatten das Gefühl, dass die Ideen alle schon im Raum sind. Man muss nur ein Gefühl dafür entwickeln, diese wahrzunehmen. Das geht natürlich nur mit Leuten, die nicht frustriert sind, und die das zulassen können.“
Tommi: „Depression ist meistens eine Verknüpfung von unterdrückten Gefühlen.  Weil man die negativen Gefühle nicht fühlen möchte, kapselt man auch die positiven ab. Denn diese Ausgewogenheit hängt zusammen, und dann geht man in die Depression.“

So viel zum Track „Alles aus“. Die andern 12 Tracks sind genauso schön.
Intro, September 09

 

"SICH WIEDERHOLEN IST DIETER BOHLEN"
JAN DELAY im Interview

Zum Zeitpunkt des Jan-Delay-Interviews lebte Michael Jackson noch - und auch im Sound des neuen Albums von Delay & Disko No. 1 wird er weiterleben. Denn „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ huldigt dem Bombast-Sound der Giganten des Soul-Pop. KERSTIN UND SANDRA GRETHER trafen Jan Delay zu einem Gespräch über die Höhen in den Beats und die Untiefen der Wiederholung.

Es ist der erste Sommertag des Jahres. Jan Delay sitzt auf dem Balkon seines Hotelzimmers und raucht noch eine. Der authentische Verwandlungskünstler - einer der wenigen deutschen Popstars, der die Würde besitzt, subkulturelle Codes und Mainstream-Styles zu verbinden - trägt ein Queens-Of-The-Stone-Age-T-Shirt und ist beinahe verblüfft, dass wir davon verblüfft sind.Charmant, bestens aufgelegt und mit viel Liebe zum Detail beantwortet er unsere Fragen. Man freut sich, dass man sich in einem früheren Leben im Hamburger Hafenstraßen-Disneyland schon mal zu einem Kaffee&Kuchen-Gespräch der außerirdischen Art getroffen hat.

? Deine künstlerische Strategie bestand schon immer darin, Vorbilder passgenau zu kopieren und daraus deinen komplett eigenen Stil zu formen. Auf "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" hast du dich nun für eine opulente Weiterführung deines Konzepts vom "Mercedes Dance"-Vorgängeralbum entschieden: für den speziellen Funk/Disco/Soul-Sound, der Ende der 70er, Anfang der 80er en vogue war ...

Wir haben uns zusammen den Arsch aufgerissen! Songs wie "Showgeschäft" oder "Disco" kannst du wirklich zwischen Johnny Guitar Watson, Chic und Michael und Quincy Jones im Club laufen lassen, und es kackt nicht ab! Dafür haben auch meine Produzenten "Tropf" und Matthias Arfmann gesorgt!

?Erzähl mal von deiner Vorgehensweise. Ist es nicht schwierig, in deutschen Studios so 'nen Monster-Sound zu kreieren? Und warum habt ihr das "Mercedes Dance"-Album so spektakulär weitergeführt?

Du musst erst mal die Band finden, das war das Allerwichtigste. Als wir angefangen haben, das "Mercedes Dance"-Album live umzusetzen, dachte ich: "Wir sind noch nicht da, wo wir hingehören, das kann alles noch viel krasser werden! Ich und die Disko No. 1 müssen noch 'ne Platte machen!" Eine Band, die so etwas spielen kann, hat man halt nicht von Anfang an, sondern nach 100 Konzerten. Unser Drummer Jost "J-Fresh" Nickel ist auch erst später zu uns gestoßen, der ist auch 'n Wahnsinniger. Wenn die Band dann so gut eingespielt ist, ist der Ort, wo du das aufnimmst, fast schon egal: Dann brauchst du eigentlich nur noch 'n guten Engineer mit Erfahrung und einem großen Mikrofonschrank mit den besten Erzeugnissen der letzten 70 Jahre. Das kann überall auf der Welt sein.

?Ihr habt diesen Ort im Vox Klangstudio von Volker Heintzen gefunden, vor den Toren Hamburgs, auf dem Gelände der Bendestorfer Filmstudios ...

Wir haben das Studio nach dem Drumsound ausgesucht. Denn alles steht und fällt letztendlich damit. Volker ist ein leidenschaftlicher Mikrofon-Sammler. Du kannst ihm 'ne Chic- Platte vorspielen und sagen: So soll das Schlagzeug klingen. Und der geht dann halt in seinen Raum rein, an seinen krassen Mikrofonschrank ..., darin steht der Wert von zwei Reihenhäusern, obwohl das nur so ein kleiner Kasten ist. Dann stöpselt er das ein und fragt in den Raum rein, wie's klingen soll. Und dann fuchst man so lange an der richtigen Soundmischung rum, bis am Ende alle glücklich sind.

?Dann ist "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" jetzt das Meisterwerk, und "Mercedes Dance" war die Brücke, die dahin führte ...

Da war so 'ne Überlegung: In der Popgeschichte hat alles, was neu und geil war und die Menschen elektrisierte, nie länger als zwei Alben gehalten. Die haben natürlich noch erfolgreiche Platten gemacht, aber dieses "aaah!!" hat nie länger als zwei Platten angehalten. Aber das hieß eben für mich ... Dass die auch perfekt sein muss. Genau. Wir wollten auf jeden Fall eine Gogo-Nummer machen, eine Northern-Soul-Nummer, eine Chic-Nummer, 'ne Michael&Quincy-Jones-Nummer usw. Aber ich will nicht den Fehler begehen, den viele begangen haben, und werde danach etwas anderes machen: 'ne neue Beginner-Platte auf jeden Fall, auch wenn ich natürlich weiterhin mit Disko No. 1 Musik mache.


?Was genau kickt dich an diesem Sound? Warum wolltest du ihn wieder in die Gegenwart einschreiben?

Ich liebe diese Musik! Sie läuft heutzutage selbstverständlich und nicht erst zu später Stunde im HipHop-Club. Irgendwann hörst du immer "Don't Stop 'Til You Get Enough" von Michael Jackson oder "Kiss" von Prince oder irgendwas von Chic. Das sind letztlich die Blueprints zu unserer Musik. So, wie es 1993 noch um Rare Groove ging. Der HipHop war damals viel rougher, als er heute ist. Erst mit P. Diddy kamen die Höhen in die Beats. Und seitdem sind die geblieben. Auf den HipHop-Partys sind das genauso die Evergreens wie die HipHop-Songs selbst.

?Aber damals hättet ihr die nie gesampelt! Ja, weil wir dachten, das sei zu poppig. Textlich machst du ja so 'ne Balance: rasende Stimmungsbilder, die Typen und Klischees aufs Korn nehmen, mal in abgrenzender, mal in vermittelnder Manier. Da ist z. B. ein tröstender Song wie "Hoffnung", der das Lichtlein der Mucke zündet und Mut machen will, über "Abschussball", wo es einfach um den totalen Spaß geht, bis hin zur Single "Jonny", der treffenden Darstellung eines gewissenlosen Arschlochs. Ist das eine bewusste Absicht von dir, so einen breiten Themenbogen zu spannen?

Genau: "Sich wiederholen ist Dieter Bohlen", hat mal jemand gesagt. Das hat gar nicht nur mit Thematiken zu tun, sondern auch mit Musiken, Flows, Aspekten, Gags, allem. Es ist spannend, wie deine Texte immer wieder von einem HipHop-punkigen Abgrenzungs- zu einem souligen Versöhnungsgestus finden. Um dann zum Beispiel zu dem Ergebnis zu kommen: Sogar in der Liebe regiert "Murphy's Law". Wenn man schon so Blaupausen hernimmt von 1979, dann darf man das nicht erdrücken mit einem Text über Hartz IV. Man muss der Musik würdig sein, muss Entertainment bleiben. Deshalb fand ich "Showgeschäft" ein super Ding auf dem Beat: Es stört dich nicht beim Tanzen, und der ganze Glam von der Musik spiegelt sich trotzdem im Text. Man muss nicht immer ein Tanzlied übers Tanzen machen.

Jan muss auch nicht immer theatralisch schmachtenden Soul über Liebesschmerz machen. So wirbt er in "Little Miss Anstrengend" nicht nur für einen "Himmel voller Geigen", sondern fordert überhaupt erst dazu auf, sich vor Augen zu führen, dass Beziehungen nicht immer nur das pure entspannte Vergnügen sind, sondern auch anstrengende Arbeit. Das sei allerdings kein Song für die Ladys, die das sowieso wissen, sondern für die Jungs, sagt Delay, der sich ohnehin gerne in der Vermittlerrolle sieht. Sein gesamtes Werk sei von grenzüberschreitenden Positionen aller Art geprägt. Delay: "Ich mach das letztlich alles für die Kids. Ich hab damals selbst das Glück gehabt, dass ich geile Musik mitgekriegt hab durch meine Eltern und Leute kannte, die mir viel beigebracht haben, auch politisch." Und dann erzählt er noch, dass er natürlich auch ganz viel in sich trage von den Typen und Klischees, die er so kritisiert in seinen Texten. "Ich bin auch Jonny", sagt Jan Delay. Nicht ohne damit zu verblüffen - aber letztlich dann doch nicht. Denn ein Vermittler, der sich nicht in das Geschehen mit einbezieht, könnte ohnehin kein solch glitzerndes Spektakel entfachen!
INTRO, AUGUST 09

 

SOAP AND SKIN in Berlin: DIE SACHE MIT DEM GENIEKULT

Eine Pop-Musikerin wird entlang der Achse "Genie" beurteilt – und vom Feuilleton und Publikum gleichermaßen gefeiert - das ist doch schon mal was. Na, da gehen wir mal hin, dachte sich Kerstin Grether. 26.03.09, Berlin, Festsaal Kreuzberg.

Es könnte einen glatt euphorisch stimmen: kaum gibt es mit dem "Missy Magazine" auch im deutschsprachigen Raum mal ein popfeministisches Magazin (wie es sich für eine zivilisatorische Gesellschaft gehört), das dezidiert Pop mit Feminismus verbindet, und die junge österreichische Kammerpop-Klavierhoffnung Anja Plaschg alias Soap & Skin höhenpreisend ("Wunderkind") aufs Titelbild der vielbeachteten ersten Ausgabe hievt, schon ziehen wie durch ein Wunder ALLE anderen Medien nach; als hätten sie 17-jährige Musikerinnen schon immer bildunsgbürgerlich korrekt nach Talent beurteilt, und nicht nach Duweißtschonwelchen-Kriterien. Überschütten die bis dato hierzulande beinahe Unbekannte und ihren stürmischen, dunklen Kammerpop mit Lobeshymnen und Vorabgefühlsbekenntnissen, finden das Projekt Soap & Skin auf jeden Fall sehr sehr interessant. Und unterschreiben es mit all seinen Reizworten - von 12-Stunden-am-Tag-üben über Beinahe-zerbrechen-an-irgendwas- mit-Tod und neunzehntem Jahrhundert, bis Daniel-Richter-Klasse und Nico/PJ Harvey-Inszenierung.


Ein Medienhype, der eine junge Frau in der Öffentlichkeit über musikalisches und ästhetisches Talent wahrnimmt, ihr gar die Fähigkeit zur Selbstinszenierung einräumt – und dann auch noch tatsächlich Publikum in die Säle treibt: Gar nicht so selbstverständlich in einem Land, dem gerade mal wieder, laut einer brandneuen Studie, eine Geschlechterordnung wie in den fünfziger Jahren bescheinigt wurde: In Deutschland haben es Frauen im Berufsleben so schwer wie in kaum einem anderen EU-Land. Sie verdienen ein Fünftel weniger als Männer, arbeiten extrem oft in Teilzeit, machen selten Karriere. Von der Gnade des Geniekults dürfen in der hiesigen Popkultur daher vor allem die männlichen Musiker profitieren; und bisher sind sie immer gut damit gefahren: denn natürlich ist "Genie" die tollste Konstruktion seit der Abschaffung des Bildungsbürgertums, durch z.B.  Neokonservativismus und RTL, und auch durchaus in Kontexten verwendbar, die mit Punk beginnen und in Assoziations- und Formenfreiheit enden.


Das Genie darf alles sein, und können oder auch Nichtkönnen. Es darf sogar zerbrechlich wirken, wegen Scheitern an übergroßen Anforderungen, ohne dabei sichtbar an Gewicht zu verlieren. Es darf laut sein, schreien oder schüchtern sein und Konzerte absagen. Es darf aber auch gerne pünktlich erscheinen, wie Donnerstag Abend in Berlin, als die neue Gothic-Göttin des neuen Bildungsbürgertums um kurz nach 21.30 Uhr im ausverkauften Festsaal Kreuzberg die Töne auf dem imposanten Flügel anschwellen ließ. Vor dem sie, seitwärts vom Publikum abgewandt saß, und auf die heißen Erwartungen des Publikums mit kühlem Pathos antwortete. Denn das Genie kann nichts falsch machen. Es muss nur auf die großen Momente warten und sie währenddessen raumausfüllend für alle erzeugen. Und so stand man dort herum und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Aber halt, bevor wir weiter in die Wahrnehmung der Wirklichkeit eintauchen und uns ganz auf das Konzert einlassen: es ist schon schade, dass Anja Plaschg sich, typisch weibliches Genie aus dem 19ten Jahrhundert, jetzt bereits schon wieder vom Feminismus distanziert hat. Was für ein schnelles Reaktionsvermögen! Der Spex erzählte sie in der letzten Ausgabe jedenfalls, sie habe sich „sehr unwohl gefühlt in diesem feministischen Missy Kontext.“  Aber warum Feminismus, wo es doch Popfeminismus heißt? Jedenfalls, na, klar. Das Genie. Die  Unberechenbare. Die Individualistische. Auch die Pseudo-SM-Gothic-Göttin PJ Harvey profitierte in den 90ern schnell von der dritten Welle des Feminismus, und wollte dann in Interviews sofort nichts mehr davon wissen. Recht hatte sie. Überlassen wir die Welt den dunklen Mächten und schreien out loud. In den fünf Minuten, wo`s für einen selber gut läuft, alle Zuschreibungen aus dem eigenen Königreich verbannen. Projektionslos von dort aus senden, wo die dunklen Mächte lauern, die Triebkräfte des Unbewußten, vermutlich.


Und was folgte, war eine Aufführung im Fach "Tragik."  Schöner als in der Jugend wird der Tod nämlich nimmer und daher war es die ganze Zeit sehr eindrucksvoll. Man ertappte sich dabei, wie man all das Gute erkannte und sah, in dem, was sie machte und tat: Diese kraftvolle Stimme, die stakkatohaft im Piano-Stück "Spiracle", die Geschichte des von (inneren) Ängsten oder gar (äußeren) Feinden gepeinigten Kindes erzählt, um wunderbar luftig in der Kopfstimme hilfesuchend, erstickend, befreiend "Help me!" zu singen.  Echt berührend, das! Und man will gar nicht erst anfangen darüber besserzuwissern, wer dieses Ausloten von hoher und tiefer (weiblicher) Stimm- und Stimmungslage schon alles tausendmal facettenreicher und/oder humorvoller dargeboten hat. Soap & Skin ist schließlich ernst. Pures Gothic mitunter. Und verdient Achtung. Und während man noch dachte, hoffte, wartete, fieberte, hoffte, auf die Spannung, die einem Stücke wie "Thanatos" oder "Marche Funebre" schon von den Songtiteln her versprechen wollten, sah man manchen im Publikum gähnen oder Handykameras zücken, um etwas aufzufangen von dem schönen Konzert.
Und wurde selber etwas müde. Gelangweilt von der wortkargen, weltabgewandten Mustergenie-Schülerin am Flügel, die sich scheinbar immer wieder aus der selben Drama-Trickkiste bediente: langsames Anschwellenlassen der Töne, um hin und wieder auch unerwartet harten Laptop-Elektronik-Beat aufzufahren. Um Emotionen ringen. Schön und gut. Aber wollte denn nicht wenigstens ein kleines Fünklein überspringen? Auch nicht nach dem siebten Song? Immer noch malträtierte sie milde das Klavier, und spielte Totenmesse

.
Einmal stand sie am Bühnenrand und schrie "Pack" ins Publikum. Das kam unerwartet und bedeutungsschwanger wie eine kurze Theaterperformance, die man nicht verstehen darf. Aber irgendwie toll. Und so kam man ins Grübeln: Wenn die Gitarre, auf der man die Töne erst stimmen muss, damit sie "richtig" klingen,  leider immer noch das sehr viel häufiger von Jungs gespielte Instrument ist, so ist Klavier, das ohnehin einen "sauberen" Ton erzeugt, immerhin auch ein Mädcheninstrument. Will sagen: viele Mädchen lernen Klavier-/Keyboardspielen in ihren Kindheit/Jugend. Und Klavier/Keyboard mal wieder im einzelgängerischen Songwriterinnen-Stil in die Kanäle der Rock-Musik zurückzuschießen - das ist doch sicher eine gute Sache, grübelte man, auch wenn in den siebziger Jahren alles was an Piano-Wahnsinn möglich ist/war, ohnehin schon von den Acid-Progrockjungs gemacht wurde. Aber, so ging der romantisch-emanzipatorische Gedanke weiter: ist doch toll, wenn Mädchen ihre Art der Sozialisation so überaus selbstbewusst und Teenager-radikal ins knallharte Männer-Pop-Geschäft mitbringen, wie Soap & Skin das macht. Da hatte man schon wieder ein Lied verpasst. Entweder man grübelte zu viel während des Konzerts, oder ein Funke wollte wirklich nicht überspringen. Obwohl "Pack" ein gutes Wort ist! Das ist ja alles so pseudo-intensiv, wie bei einer Musikschulen-Veranstaltung, dachte man da plötzlich. Aber wo sind die versprochenen, gebrochenen, flirrenden und doch so starken Gefühlsfetzen, die herüberwehen, damit etwas entstehen kann im dritten Raum zwischen Publikum und Künstlerin? Irgendwo verlorengegangen im Schützengraben des Hypes? Aber was nicht ist, wird gerade im Fall Soap & Skin sicher noch werden, endete der Gedanke wieder im Positiven. Und dann spielte sie endlich, gegen Ende des rund einstündigen Konzerts, ihr famoses "Spiracle" und man fühlt sich, schon als die ersten Akkorde herbeistürmten, beinahe getröstet.
INTRO 30.03.2009, 15:14

DR JEKYLL UNS MR HYDE -
VIKTORIANISCHE GESPENSTER


Der Mythos des Dr. Jekyll und Mr. Hyde ist aus der Populärkultur nicht mehr wegzudenken. Jetzt greift ihn erstmals eine TV-Serie auf – als die Geschichte des Menschen, der sich selbst der ärgste Feind ist.

Noch 130 Jahre nach ihrer Schöpfung durch den schottischen Schriftsteller Robert Louis Stevenson, zählt Dr Jekyll & Mr Hyde, jenes furchterregende Gruselwesen, zu den „101 einflussreichsten Personen, die nie gelebt haben“ - ja, dieser aktuelle Trendbestseller von Dan Karlan listet es sogar in den ersten zehn. Somit steht der Mythos vom guten Menschen, der sich selbst seinen bösen Dämon geschaffen hat, auf gleicher Popularitätshöhe wie „Romeo und Julia“ und „der Weihnachtsmann.“ Kein Wunder, denn der Stoff  hat es in sich: Ein gutmütiger Arzt mit einem trockenen Gelehrtenleben verwandelt sich da in einen bösen, brüllenden, zerstörerischen Satan. Die Novelle aus dem viktorianischen Zeitalter enthüllt aufs Heftigste die dunklen Triebe des Menschen. Jetzt greift ARTE den seltsamen Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde neu auf – und verfeinert damit den Stoff, aus dem die Alpträume sind. In der Serie „Jekyll“ wird das Böse aber nicht wie gewohnt durch ein Selbst-Experiment des Protagonisten heraufbeschworen. Die sadistischen Gelüste des Dr. Jekyll kommen vielmehr als Folge einer Erbkrankheit, die alle Nachfahren der „Jekylls“ und „Hydes“ befällt.

In der Buch-Version aus dem Jahr 1886 hat sich Dr. Jekyll den Drogencocktail, der zu seinen Gewaltausbrüchen führt, noch selbst zusammengebraut. Mit dem Ziel zwei völlig getrennte Wesen zu schaffen: einen guten Menschen, der die Sorgen seiner Mitmenschen mildert, und einen hemmungslosen, der alle Schranken beiseite werfen darf. In einer verfluchten Nacht vermischt er die Elemente aus „gut“ und „böse“  - und stürzt die Arznei herunter. Doch das Experiment misslingt!  Ohne es zu wollen erschafft Dr. Jekyll das Monster Hyde in seinem Körper, das zehnfach lasterhafter ist,  als er selbst je war. Der Kulturgeschichte dient er daher als beispielhaft für den Menschen der Moderne, der sich selbst erschaffen kann.
Neuinterpretationen spiegeln den jeweiligen Zeitgeist wider und erschaffen den Mythos neu: so ist der Held in der neuen ARTE-Serie beispielsweise kein Junggeselle wie im Original. Ihm werden gleich zwei Frauen zur Seite gestellt! Wir lernen Tom Jackmans Ehefrau und auch seine sexuell attraktive Kollegin kennen. Mit aller Kraft versucht Jackman - gespielt übrigens von dem charismatischen nordirischen Schauspieler James Nesbitt - die Frauen vor seinen dunklen Trieben zu schützen, oder wenigstens den Schein aufrecht zu erhalten.
Die Frage, wie man seinen guten Ruf aufrecht erhält, wenn man längst mit einem Fuß in der Hölle steht; das Dilemma also, des ehrbaren, aber vergnügungssüchtigen Bürgers, hat das Publikum über ein Jahrhundert lang in die Kinosäle getrieben, wenn sich Dr. Jekyll auf der Leinwand mal wieder in Mr. Hyde verwandelte.

Gerade Prominente, die ständig im Licht der Öffentlichkeit stehen, sind ideale Zeugen des Mythos. So erklärte beispielsweise der legendäre 71-jährige Schauspieler und Regisseur Dennis Hopper („Easy Rider“) neulich in einem Interview, dass Drogen und Alkoholexzesse ihm geholfen hätten, im grellen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu bestehen. „Wenn die Kamera lief, stellte sich immer die Frage, als welche Person ich morgens aus der Garderobe kam: Jekyll oder Mr. Hyde.“ Hopper schwärmt von Rauschzuständen, die auch Stevensons Held bereits beschrieben hat. Sein Jekyll berichtet von „berauschender Sorglosigkeit“, die sein Zaubertrunk in ihm ausgelöst habe: „ich fühlte mich jünger, leichter, glücklicher. Alle Bande der Verpflichtung schienen gelöst.“ Doch die Drogen-Abstürze haben bittere Folgen. Hyde fällt es immer schwerer sich in Jekyll zurückzuverwandeln. Auch der süchtige Hopper hatte sich irgendwann nicht mehr unter Kontrolle: „Schon nach einer Minute folgte die Tragödie auf den Fuß.“ Dennis Hopper hätte also auch gut die Hauptrolle spielen können, in einer der über hundert Adaptionen, die stets mit großen Schauspielern besetzt waren. Nach Spencer Tracy (1941) ergatterten u.a. Kirk Douglas 1973, Anthony Perkins, 1989, und Michael Caine, 1990, die begehrte Rolle.


Das Gefühl einem inneren Dämon ausgesetzt zu sein,  dem man sich im Laufe des Lebens stellen muss, macht das Motiv für uns alle faszinierend. Und wir können wichtige Lehren daraus ziehen: dass Gutes und Böses im Menschen zusammengehören, und nicht künstlich voneinander getrennt werden dürfen. Denn gerade das Zuviel des Guten und die Auswüchse des  Bösen entstehen oft,  wenn das eine vom anderen isoliert wird. Das musste auch „Spiderman“ - die „sympathischste Spinne der Welt“ lernen, als die Autoren ihm im dritten Teil (2007) erstmals dunkle Seiten ins Drehbuch schrieben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der gutmütige Student Peter Parka seine spinnenartigen Zauberkräfte nur für wohltätige Zwecke eingesetzt. Im dritten Teil muss er sich seinen uneingestandenen Machtgelüsten stellen! Er ersetzt sein schüchternes Lächeln durch ein selbstbewusstes Grinsen; wird arrogant und egozentrisch, und verletzt die Gefühle seiner Freunde. Spiderman-Darsteller Toby Maguire ist`s recht so. Das Böserwerden sei ein Reifungsvorgang, erklärt er in Interviews und liefert gleich noch eine wunderbare Erklärung dafür, warum die Welt den Atem anhält, wenn sich mal wieder irgendwo ein Jekyll in einen Hyde verwandelt:„Die Welt funktioniert nicht nach dem Prinzip, dass sie perfekt ist. Menschen verletzen nun mal die Gefühle der anderen. Aber nur, wenn man das akzeptiert, kann es auch Vergebung geben.“  

 
In der populären Musik, die ja von allen Kunstformen den direktesten Zugriff auf menschliche Emotionen hat, ist der Jekyll/Hyde-Mythos dahingegen immer schon an seinem End- bzw. Wendepunkt angelangt. Vor allem in die härteren Spielarten von Rockmusik und HipHop wird das Böse von Anfang an integriert - und kann so laufend zum Spielball des Guten, Authentischen und Wahren werden. So spielte beispielsweise Rapper Eminem mit der Figur des positiven Losers, der ein Doppelleben als rachsüchtiger Slim Shady führt. Noch während er Ex-Frau Kim in seinen Texten aufs Übelste beschimpfte, hat er sie im wirklichen Leben wieder geheiratet. Und Hardrocker Ozzy Osbourne, der einst Friedenstauben auf offener Bühne den Kopf abbiss, und lange als wahnsinniger Rockstar galt, wird heute als umgänglicher und ruhiger Zeitgenosse beschrieben. 1997 schrieb er den Song „My Jekyll doesn`t hide.“ Sein Jekyll muss sich nicht verstecken. Vielmehr darf er sogar als liebevoller Familienvater in der Kultserie „Osbournes“ seinen Sprösslingen etwas von seiner unruhigen Natur „weitervererben.“

Aber man muss kein Fan von Rockmusik sein, um zu fühlen, dass man mit seinen seelischen Abgründen heute einen reiferen Umgang haben kann, als die Humanoiden im viktorianischen Zeitalter. Unterhaltsam bleibt der Mythos genau deshalb – wegen seiner stumpfen, hilflosen Gewalt, die sich nicht auf den Spielwiesen des Symbolischen austoben kann, um sich zu heilen.
ARTE, FEBRUAR 2009

 

WE`LL NEVER STOP LIVING THIS WAY

ANGELA RICHTER INSZENIERT RAINALD GOETZ` JEFF KOONS

Angela Richter setzt dem herrschenden Glauben an die Zurichtung eine andere Definition von Pop entgegen. Ihre Inszenierung von Rainald Goetz' "Jeff Koons" versprüht Euphorie. Kerstin Grether und Sandra Grether waren im Theater und haben die Regisseurin getroffen.

Was will man von der Inszenierung eines Theaterstücks? Doch wohl, dass man auch noch sechs Wochen danach gute Laune hat! Vielleicht sogar für den Rest des Jahres. Die Neuinszenierung von Rainald Goetz' glücklich-abgründigem Theaterstück "Jeff Koons" der Hamburger Regisseurin Angela Richter im Berliner Hebbel am Ufer im Frühjahr war so ein Event.

Und es war nicht nur diese bis zur allerletzten Szene durchgehaltene Affirmations-Energie, jene große verzehrende Euphorie, die die Verzweiflung der Schlusssätze umso wahrer machte. Sondern freilich die ganze großartige Inszenierung: Intention, Durchführung und natürlich die berauschende Thematik ("Kunst, Reden, Bilder, Sex, Melodien, Liebe"), die einen in diesen staunenden Glückszustand versetzte. So viel, so leicht! Angela Richter: "Das hat man ganz oft bei Theaterinszenierungen, dass am Ende so eine Kater-danach-Stimmung aufgeführt wird. Aber ich wollte, dass die Schauspieler dagegenhalten. Die Leute sollten aus dem Stück rauskommen und sich fühlen wie auf Ecstasy. So voller Liebe - obwohl alles dagegen spricht." So voller Liebe auch zu Pop: Allein, wie sie ein Kunst versprühendes Michael-Jackson-Double auftanzen lässt, das den Sorgerechtstreit von Koons/Cicciolina im wie dafür geschaffenen "Billie Jean"-Hit thematisiert! Und toll auch, wie Angela Richter die Attribute, die sie dem zehn Jahre alten Stück attestiert - die "pure Existenzbegeisterung" und "die Freude am tatsächlich Gesprochenen in Alltag, Club und Galerie" -, auch wirklich rüberbringt! Und das gilt auch für die Aufführung weiblicher und männlicher Stereotypen. Wenn sie etwa die wunderbar-kraftvolle Schauspielerin Eva Löbau als Kunstsuperstar Jonathan Meese auftreten lässt, dann geht es nicht einfach nur um eine Umkehrung der Rollen, sondern um ein Nebeneinander - und gegen eine, auch von Angela Richter so beobachtete, "Re-Martialisierung der Verhältnisse". Klar, dass die doofen auf Anti-Pop und Status-Huberei abonnierten Kritiker im Feuilleton den Reiz, das Stück in die Gegenwart zu übersetzen, nicht auf Anhieb verstanden haben. Sie waren ja auch abgelenkt von den vielen Nebenschauplätzen, die sie rund um die Berliner Aufführung ausgemacht hatten: "Die Ehefrau von Daniel Richter inszeniert Rainald Goetz! Das Bühnenbild von Meese! Die Musik von Dirk von Lowtzow. Und wann schreibt Rainald Goetz endlich wieder einen Roman? Was gibt's Neues von Jeff Koons?" usw. Man will es in seiner Plumpheit eigentlich gar nicht wiederholen, Angela Richter ist schließlich eine bekannte Regisseurin, die mit dem Hamburger Fleetstreet sogar ein eigenes Off-Theater leitet. "Die Leute schauen halt mit Gossip-Ohren", nennt die Regisseurin das. Das Publikum hingegen war von der Neuinszenierung begeistert: alle Vorstellungen ausverkauft.
INTRO, August 2008

STREBER HABEN KEINE SOUNDTRACKS
WARUM DER NEUE DEUTSCHE FEMNISMUS SO NOTWENDIG UND UNCOOL IST WIE DER ALTE - UND WIE SICH DER POPFEMINISMUS UND DIE FEUCHTGEBIETE DAZU VERHALTEN


Sich selbst als Feministin zu bezeichnen, hatte schon immer etwas von einem Outing. Vergleichbar mit einem Bekenntnis zu Buddhismus, Punkrock oder Tokio Hotel. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat es einfach zu viele Gesprächsrunden und Comedyshows im deutschen Fernsehen gegeben, in denen die Feministin zum Gespött gemacht wurde. Feministinnen - also Frauen, die die im Grundgesetz verankerte, politische, ökonomische und gesellschaftliche Gleichberechtigung von Mann und Frau fordern - sind demnach überhaupt nicht cool, sondern hässlich, humorlos und sie wollen Müttern verbieten, zuhause bei den Kindern zu bleiben. Sie sind kalt wie Frosty der Schneemann.
Als gern gesehener Gast in den Talkshows erfüllt die Oberfeministin Alice Schwarzer leider immer auch die Funktion eines Schreckensgespenstes, das sich nicht scheut, das Klischee der hässlichen und sexfeindlichen Feministin zu bedienen. Ihre Geltungssucht sitzt offenbar so tief, dass sie es nie ertragen hat, ihre Mitstreiterinnen aus der Emma-Redaktion einfach mal mit in die Talkshows zu nehmen. Allein um zu beweisen, dass Feminismus viele Figuren hat. Das wäre umso wichtiger gewesen, da der individualistische Zeitgeist dieses Jahrzehnts jedes Scheitern an gesellschaftlichen Verhältnissen im Verantwortungsbereich des Einzelnen verortet.


Seitdem die Forderung nach einem „neuen“ Feminismus im Raum steht, haben immer mehr junge Frauen keine Lust mehr auf die alte Schmierenkomödie. Mit „Neue deutsche Mädchen“ von Jana Hensel, Elisabeth Raether sowie „Wir Alphamädchen“ von Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl, sind in diesem Jahr wieder viel diskutierte Bücher erschienen, deren Autorinnen sich als Feministinnen outen, als coole, sexy Feministinnen! Sie sind sogar der Meinung, dass Feminismus das Leben schöner macht – auch für Männer. Die schwierige Vereinbarkeit von Kind und Karriere, veranlasst die Autorinnen (die zwischen 25 und 35 sind), sich an die Stelle des Schreckensgespenstes zu setzen. Obwohl die Bücher in den Trend-Artikeln zum Thema häufig über einen Kamm geschoren wurden, sind sie doch sehr unterschiedlich: Hensel und Raether wollen sich zum Sprachrohr aller jungen Frauen machen und kreisen dabei vorwiegend um die eigenen Befindlichkeiten. Die offensive Beschränktheit ihres Blickwinkels macht allerdings die Stärke des Buches aus. Selten wurde die schleichende Desillusionierung junger Frauen so authentisch beschrieben. Ausgehend von der unhinterfragten Gewissheit auch beruflich alles erreichen zu können, was sie wollen, häuft sich bei den Protagonistinnen das Gefühl „Frau zu sein bedeutet, dem Leben immer nur zuzuschauen“. Wenigstens bringt diese durchaus politische Erkenntnis sie dazu, erstmals ehrlich zu ihren Partnern zu sein, und Beziehungen nicht mehr auf Selbstlügen aufzubauen.Als Anschlusslektüre empfiehlt sich dann wirklich „Wir Alphamädchen“, das die von den „neuen deutschen Mädchen“ so vorsichtig den Verhältnissen abgerungenen Einsichten, durch facettenreiche, klare Informationen zu fast allen relevanten Themen (wie z.B. Medien, Sex, Identität, Demografiedebatte, Macht) erweitert. Ihr Tonfall ist dabei keinesfalls zu lässig, mädchenhaft oder Fun-orientiert, wie ihnen andauernd vorgeworfen wird, sondern nur normal nett und internetgeübt - um jene vorsichtig-präzise Direktheit bemüht, die den Autorinnen offenbar zeitgemäß erschien. Kein Grund zur Panik jedenfalls. Der liebevolle, aber konfrontative Schreibstil möchte wohl Mut machen, die Probleme gemeinsam mit den Jungs anzugehen.

Ein echter Negativ-Hingucker ist jedoch der symptomatischer Mangel der Autorinnen an Originalität und Eigensinn. Die scheinbar souveränen Lösungen, die sie anbieten, sind oft zu simpel für die Realität. Damit korrespondiert auch das selbstverantwortete Cover und die collagenhaften Abbildungen im Buch: die Alphamädchen kokettieren so unironisch und humorlos mit sämtlichen Stereotypen des Schönheitswahns, dass man sich die „Girlies“ der neunziger Jahre, mit denen sie häufig in einen Schminktopf geworfen werden, beinahe zurückwünscht. Letztere haben beim Versuch die Standards des guten Aussehens zu erreichen, wenigstens noch eine eigene Ästhetik entwickelt und mit subkulturellen Codes experimentiert.

Die neuen ernsten Mädchen scheinen überhaupt kein Bewusstsein von Pop jenseits der Boulevard-üblichen Lifestyle-Klischees zu haben. Warum wird man das Gefühl nicht los, dass auch diese Akademikerinnen sich mal wieder dann besonders schlau fühlen, wenn sie Bücherwissen vor das Wissen über populäre Musik setzen können -  ein Phänomen, das ja schon Karen Duve in ihrem Roman „Dies ist kein Liebeslied“ für die Generation davor beschrieben hat? Die Schlau-Kritik an der Popkultur erschöpft sich dann darin, die „Fleischbeschau“ in Hip-Hop-Videos zu bemängeln, während ihnen stets entgeht, dass bereits viele Antwort-Videos weiblicher Künstler gedreht und gesendet wurden. Es ist nur folgerichtig, dass die Alphamädchen ausgerechnet die originelle, über „hundert-neue-Worte-pro-Minute“-verfügende Moderatorin Sarah Kuttner, als eine Bedrohung, ja als Feindbild für ihren neuen, coolen Feminismus sehen. Und warum können sie dann nicht einfach mal aus vollem Herzen positive Rollen-Vorbilder nennen?


Den neuen Feminismus eint eine Verachtung gegenüber allem, was schnodderig oder rockig daherkommt und es nicht nötig hat, mit dem Einser-Abitur zu protzen. Ob „Alphamädchen“ oder Thea Dorns „neue F-Klasse“ - sie alle definieren sich über weibliches Strebertum, weil Mädchen die besseren Schul- und Universitätsabschlüsse machen. Und Streber haben bekanntlich keine Soundtracks. Die Autorinnen versprechen sich davon einen Distinktionsgewinn gegenüber den Zeichen einer zerfallenden Mittelschichtskultur. Sie suggerieren, dass sie nicht nur zu den Produzentinnen von popkulturellen Codes Abstand halten; zu all den Vamps, Tramps, Abenteurerinnen, Manga-Heldinnen und Sängerinnen ihrer Generation, sondern vor allem auch zu den gefühlten Konsumentinnen von deren Botschaften: den Sekretärinnen, Friseurinnen, Verkäuferinnen, die jung und nicht mehr jugendfrei, schon mal angefangen haben zu leben, als die neuen Feministinnen noch Latein-Vokabeln paukten. Sie leisten sich damit eine erbärmliche Ignoranz gegenüber all jenen Mädchen, die keine kostspielige Ausbildung hinter sich haben, und sich den Schock über ungleiche Verhältnisse vermutlich schon in den Techno-und Girlie-Neunzigern vom Leibe getanzt, oder in Casting-Shows von der Seele gesungen haben.

Aber die Geschichte wiederholt sich bekanntlich immer zweimal: einmal als Tragödie und einmal als Farce. Das Mantra der späten Girls des Feminismus besagt: Die Frauen von heute registrieren ihre Benachteiligung erst mit Anfang 30, wenn sie ihren ersten Gehaltsscheck sehen. Von einer ganzen Generation magersüchtiger Mädchen umgeben, um nur mal ein Beispiel zu nennen, brauchen sie erst einen „Gehaltsscheck“, um mitzukriegen, dass etwas nicht stimmt! Und man muss schon über die Geduld gleich mehrerer Heiliger verfügen, um nicht schreiend davonzulaufen, wenn diese neuen Feministinnen dann auch noch behaupten, sie seien die ersten, die hierzulande versuchen, dem Feminismus ein luftiges Kleidchen anzuziehen.  Gerade diese Autorinnen hätten vom Pop-Feminismus, also der hoffnungsfroh-spielerischen, feministischen Kritik der Popkultur, sehr viel lernen können. Denn sie sind ja nicht die Ersten, sondern die Letzten ihrer Generation, die glauben, man könne mit dem Begriff „Mädchen“ noch was reißen.

Dabei haben sie den Anfang ihres eigenen Generationen-Films verpasst.  Der läuft schon seit den neunziger Jahren, unter dem Stichwort „Girlpower“, in internationalen Lichtspielhäusern, und natürlich auch in deutschen. Und hat viele Soundtracks. Die Vorläuferinnen der kommerzialisierten „Girlies“ waren die amerikanischen „Riot Girls“ (ursprünglich „Riot Grrrls“ geschrieben - wie das Knurren einer großen Katze oder eines hungernden Magens), die damals wirklich Teenager-Girls oder twentysomethings waren. Vom „Change“-Klima der Clinton-Ära und dem Dritte-Welle-Feminismus getragen, kämpften sie spielerisch und wütend gegen sexuellen Missbrauch, Essstörungen, stereotype Zuschreibungen usw. Ihre Bands hießen Bikini Kill, Team Dresch, Sleater-Kinney oder Le Tigre. Natürlich haben die Riot Girls nicht die Welt oder die Institutionen verändert. Und auch nicht das Bewusstsein der Massen auf eine politische Linie gebracht - immerhin aber um einige Facetten der weiblichen Möglichkeiten erweitert.

Auch hierzulande machte sich Inspiration breit. Plötzlich spielten all meine Freundinnen und Schwestern in Mädchenbands: Lassie Singers, Die Braut Haut Ins Auge, Parole Trixi, TGV, Britta. Und sogar die männlichen Rock-Helden Tocotronic bezogen sich munter auf die mädchenhafte Riot-Girl-Ästhetik und widmeten ihnen den Song „Die Sache mit der Team Dresch Platte.“ Denn Pop verbreitet nicht nur stereotype Bilder, sondern liefert jeder, die sie zu nehmen versteht, auch spannende Gegenentwürfe. Und das Bedürfnis nach neuen Formen ist offenbar viel größer, als die Akademikerinnen mit ihren falschen Bildungsvoraussetzungen annehmen: von Herbst an gibt es ein Hochglanzmagazin an deutschen Kiosken, das die Berichterstattung über coole Frauen, Popkultur, Politik und Style mit einer feministischen Haltung verbinden will. Das Missy Magazine könnte damit jenen Slogan von Charlotte Roche verwirklichen, mit dem die ehemalige VIVA-2-Moderatorin und Bestsellerautorin schon Anfang der nuller Jahre warb: „Wenn`s nicht rockt, isses für`n Arsch.“ Wie wichtig ihr der „Arsch“ wirklich war, wissen wir nach 600.000 verkauften Exemplaren ihres pornografischen Hämorrhoiden-Romans „Feuchtgebiete“ ja nun zur Genüge. Geschickt rockt die neuerdings frauenpolitisch engagierte Autorin den Zeitgeist, um ihm mit boulevardesken Erfolgsrezepten entgegenzukommen...

CHARLOTTE ROCHE BRICHT PSEUDOTABUS, DIE KEINER ERNST ZU NEHMEN BRAUCHT

Ausgerechnet jetzt, wo die Probleme einer ganzen Frauengeneration mal nicht mehr ins Musikfernsehen verbannt oder unter den Teppich gekehrt werden, redet Charlotte Roche über die Hundescheiße auf dem Teppich. Bricht lauter Pseudotabus, die keiner wirklich ernst zu nehmen braucht. Und alle lachen sich tot. Über diese freche Pippi Langstrumpf der Körperflüssigkeiten. Dabei  haben sich die dümmsten und erfolgsgeilsten Komiker hierzulande schon immer eines Fäkalhumors bedient. Roches verlogene Kritik am sogenannten Hygienewahn stinkt bis zum Himmel - auch angesichts eines globalisierten Schönheitsideals, das die Frau von heute nur noch mit collagenverstärkten Lippen, echthaarverlängerten Haaren, gelifteter Haut, silikonerweiterten Brüsten und mager gehungerten Bäuchen abbildet. Da grenzt es schon an eine Unverschämtheit, sich so medienwirksam hysterisch, und dabei so übertrieben piekfein gekleidet, über den harmlosen „Zwang“ zur Achselhaar-Rasur zu echauffieren. Es ist gut möglich, dass die Probleme, die Charlotte Roche benennt, die einzigen sind, die wir wirklich sofort lösen können - ohne an den gesellschaftlichen Tabus zu rütteln.

aus Die ZEIT, 17.7. 2008  

"A WALKING STUDIE IN DEMONOLOGY"
COURTNEY LOVES TAGEBÜCHER

Subversion, wie sie im Buche steht: romantisch, rebellisch, von der Wirklichkeit erleuchtet. Anhand von Courtney Loves Notizen "Dirty Blonde" lässt sich nachvollziehen, warum aus einer um originelle Aufklärung bemühten Künstlerin keine Pop-Heilige geworden ist. In seinem Artikel über den Simpsons-Film hat Diedrich Diederichsen neulich überzeugend dargelegt, inwiefern die großen Werte der US-amerikanischen 1960er-Jahre - "umfassende Gesellschaftskritik" und "Emanzipation des Körpers" - heute meist zu "asozialem Hedonismus" und "leerem Moralismus" verkommen sind.

Den Simpsons attestierte er eine bewundernswerte "skeptizistische Selbstreflexivität", die nicht zu verwechseln sei mit "Kritik" oder "Subversion". Von Letzterer findet man hingegen jede Menge in Courtney Loves Tagebüchern "Dirty Blonde", die u. a. noch mal belegen, wie bittersüß Mainstream-unfreundlich der öffentliche Auftritt dieser beiden anderen Gelben, Kurt und Courtney, wirklich war - zumal in der heißen Simpsons-Grunge-Change-Phase der 90er-Jahre. Was mit dem Selbstmord Kurt Cobains endete, konnte natürlich nicht die Emanzipation des Körpers sein, geschweige denn eine hoffnungsfrohe Gesellschaftskritik begleiten. Sonst wäre Courtney Love längst eine Pop-Heilige wie z. B. Patti Smith.

Nichtsdestotrotz: Courtney war asozial hedonistisch und, mit dem ganzen herzhaften Trotz der Hippie-Töchter, Heimkinder und weiblichen Genies ausgestattet, um originelle Aufklärung bemüht! Das dokumentiert z. B. der eigenwillige Gestus der Tagebücher, dieser poetisch-burroughseske, Songtext-vernarrte, romantisch-rebellische Stil ihrer Notizen. So wirklichkeitserleuchtet und vom eigenen Beispiel getrieben, dass man sofort den 98er-Hole-Hit "Celebrity Skin" versteht - Cobains Witwe bezeichnet sich darin sarkastisch als "wandelnde Studie in Dämonologie". Ihre Tagebücher - in der US-Ausgabe so bunt und special, dass es einer großen Leistung gleichkommt, wie gleichsam spannend die toll übersetzte deutschsprachige s/w-Ausgabe in eigenständiger und doch unverfälschter Anordnung zusammenkomponiert wurde - sind eine Studie in Anti-Dämonisierung: bezaubernd, nachdenklich, klug.

Und das in originalhandschriftlichen Dokumenten, die bei aller Privatheit nicht zu intim wirken. Auch weil die Botschaften und Bilder eine sehr seltene Mischung aus Exhibitionismus und Künstlichkeit ausstrahlen, den Flair des Geworden-Seins im Zustand größter Verzweiflung: Bildchen von kaputten Puppen, genialische Songtextzettel, gut informierte Lieblingslisten, die beweisen, dass Courtney schon früh und in Eigenregie die Ästhetik von Hole kreierte. Darüber hinaus dekonstruiert und korrigiert sie stets ihr eigenes Image - lustig, dass dennoch immer alle besser zu wissen glauben, wer sie ist - und das ihrer Helden gleich mit. Sie sieht die größeren Zusammenhänge.

Kurt und Courtney konnten die Rolle der seltsamen Rebellen auch deshalb so perfekt spielen, weil sie andauernd unfreiwillig das Scheitern einer gerade nicht mehr vorhandenen US-Amerikanischen Mittelschicht inszenierten, in dem sie den Kindern der Wohlstandsära unablässig die Namen irgendwelcher angeblich nicht genug gewürdigten Außenseiter-Großcharaktere entgegenplauderten und musizierten: Frances Farmer, Johnny Rotten, Nancy Spungen usw. Bis Kurt und Courtney, die ja für sich die Schicksale ihrer Heroes ins positive umwandeln wollten, genauso ungewollt zum amerikanischen Alptraum wurden. Die Drogen, den Exzess, ihre Bad-Girls-Rolle, die Schönheits-OPs und Oscar-Nominierungen, den sarkastischen Verstand - ja, selbst den Selbstmord des Ehemanns hätten sie der stets selbstreflexiven, dauertherapierbaren, humorbereiten Courtney vermutlich längst verziehen. Nur eins nicht: dass sie ausgerechnet auf dem Höhepunkt des Erfolgs ihres suizidalen Ehemanns ein vergleichsweise ähnlich großartiges Album gemacht hat.

Kate Moss und Pete Doherty mögen noch so viele Hotelzimmer zerlegen, sich von der Boulevard-Presse abschießen lassen und Rausch als letzte souveräne Rock'n'Roll-moralische Geste gegen und für das Zur-Marke-Werden aufführen: Courtney und Kurt hatten ihre eigene Bilderwelt, hungrig nach dem perfekten Rock-Song, der einzig und allein noch "Kritik und Wahrheit" verkraftete, in einer Phase, in der skeptizistische Selbstreflexivität das Höchste aller Familien-Fernsehseriengefühle war. Es würde jetzt darum gehen, aus der spleenig-klaren Wahrheit von Courtney oder Kurts Tagebüchern das Vitale neu zu schöpfen.
Courtney Love , Dirty Blonde. Die Tagebücher Kiepenheuer & Witsch, 432 S., EUR 14,95
INTRO, September 07

VERSCHWÖR DICH GEGEN DICH - UND DEINE WUNDEN ÖFFNEN SICH
EIN GESPRÄCH MIT DIRK VON LOWTZOW UND JAN MÜLLER (TOCOTRONIC) ÜBER "DIE KAPITULATION".

Ihr neues Album heißt “Kapitulation” und klingt auch wie die luzide Feier einer Kapitulation. Ein Album zum Schwachwerden übers Starkbleiben! Gleich zu Beginn reißt einen “Mein Ruin” in ein glamouröses Kapitulations-Stakkato, aus dem man nach zwölf Songs erfrischt und mit Mumm in den Beinen, seltsam gut gelaunt, wehrlos und mit heilenden Wunden wieder hervorkriecht: “Mein Ruin, das ist zunächst etwas, das gewachsen ist, wie eine Welle, die mich trägt und mich dann unter sich begräbt.” Musik und Text wie ein Wasserfall Wahrheit! Entwaffnend, gitarrenstürmend. Nichtstun und Alles-Wollen als Neuanfang. Die Schöpfung des Harmonischen im hingebungsvoll nachsichtigen Selbst. Tocotronic in der Rolle einer in Schönheit scheiternden Diva.

? Konzepte sind ja gerne gesehen im Tocotronic-Universum. Aber “Kapitulation” scheint uns das vielleicht risikofreudigste und auch künstlerisch ausdifferenzierteste Toco-Konzeptalbum zu sein.

Dirk von Lowtzow: Der Konzeptkunst waren wir immer affin, schon die ersten Jahre haben wir im Prinzip nichts anderes gemacht, als uns irgendwelche schrulligen Konzepte auszudenken. Das Wort “Konzeptalbum” ist aber meiner Meinung nach in letzter Zeit etwas in Verruf geraten. Jan Müller (Bass): Weil das so schnell etwas Beliebiges haben kann: Man sucht sich ein Thema aus und beschäftigt sich dann gezwungenermaßen damit. Wodurch “Konzeptkunst” zu Kleinkunst oder Seminararbeit wird? J: Ja. Aber wenn der Dirk anfängt, die Texte zu schreiben, dann handeln die schon von etwas, was ihn wirklich beschäftigt – und was uns alle beschäftigt. Das ist dann nicht nur Konzept, das hat dann auch eine Dringlichkeit.

?Wir dachten bei “Konzeptalbum” jetzt vom Prinzip her eher an Lou Reed, David Bowie, Björk oder so was. Der Ruin sozusagen als etwas, das wirklich gewachsen ist. Das heißt, du hast ein Thema oder Gefühl, das dich über längere Zeit beschäftigt. Das wirkt dann wie ein Konzept, aber eigentlich hat es sich einfach so ergeben?

D: Ja, genau. Man arbeitet ja auch nicht parallel an den 12, 13 Stücken, die man da geschrieben hat, sondern baut sie aufeinander auf. Im besten Fall merkt man dann, so unbewusst, dass es Parallelen gibt: zu anderen Stücken, die man gerade schreibt. Das finden wir dann aber gerade schön. Also im besten Sinne ergeben sich unter den Stücken so Verbindungen. Oder auch zu anderen Sachen, die man kennt und die das Netzwerk der Beziehungen darstellen, die einen beeinflussen.

? Du schreibst also ein, zwei Songtexte und überlegst noch gar nicht weiter und machst einfach mal?

D: Also, beim neuen Album war das ganz speziell so. Das ist aus so einer Lust am Machen entstanden, und auch aus so einer Wut, die man im Ranzen hat. [Gelächter]
? Die Wut, diese Wucht, hört man den Songs auch an. Es ist sowieso erstaunlich, wie man sofort mitbekommt, dass es live eingespielt wurde: trotz aller produktionstechnischen Raffinesse und Perfektion.

J: Es ist in gewisser Hinsicht viel schwieriger, ein Album live einzuspielen. Weil man die Stücke viel weniger zurechtbasteln kann.

? Stand dieses große Wort “Kapitulation” von Anfang an fest? So nach dem Motto: Wow, wir feiern jetzt die Kapitulation? Lass uns mal über diesen Gestus reden.

D: Das war wie eine Erleuchtung oder wie so eine Epiphanie. Ich hatte die ersten drei Zeilen von “Mein Ruin” und dachte: Toll, das knallt so wahnsinnig rein! Aber es hat uns selbst auch sehr viel Angst gemacht. Weil es einem doch sehr den Boden unter den Füßen wegzieht. Es steht ja auch völlig im Widerspruch zum Optimismus, der im Moment bei den Leuten so angesagt ist.

?Du meinst diesen optimistischen Willen zum Durchhalten, zur Selbst-Disziplinierung auch?

D: Genau. Und wir waren uns so wahnsinnig unschlüssig, fragten uns, kann man das machen oder nicht.

? Versteh ich: Kapitulation hat etwas sehr Ambivalentes, aber das ist vielleicht auch das Gute daran.

D: Ja, und irgendwie hat sich das so langsam durchgefräst. J: Es hat bei allen vieren von uns schon ein bisschen Zeit gebraucht, bis man “Kapitulation” immer schöner und das Konzept plötzlich beruhigend fand. Das Gute ist, dass Sachen, die ein bisschen länger brauchen, bis man sie erschließt, auch länger halten. D: Ja, an denen hat man lang was. [lacht] Das Essen, das einem schwer im Magen hängt, da hab ich lang was davon. [Gelächter] Und dieser Begriff lag uns eben auch schwer im Magen am Anfang. Aber irgendwie, ich mein das völlig wertungsfrei, wussten wir auch, dass es große Kunst ist. Wir wussten nur noch nicht so richtig damit umzugehen. Weil es natürlich auch wahnsinnig gewagt ist, als Band – das mein ich jetzt auch völlig wertungsfrei – eine Platte “Kapitulation” zu nennen. In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Bands ihre Platten “Jetzt geht’s los!” oder was-weiß-ich-was nennen. Und das auch mit einem gewissen Recht.

?Hat man Angst, dass so ein Titel sozusagen auf die Band zurückschlägt, zur self-fullfilling Prophecy wird?

J: Nee, ich hab da eine ganz andere Angst. Ich möchte nicht, dass etwas, das schön und wichtig ist, zu einer Marketing-Idee verkommt. Mir fällt das sehr oft bei Bands auf: Da gibt es eine Idee bei einer Platte, die wird dann breitgetreten und verkauft. Und die Idee dadurch ein bisschen getötet. D: Wir wollten nicht, dass “Kapitulation” zu einer Marketingidee verkommt. Und wir somit wieder in die Nähe des Werbetexters geraten. J: Das ist ja immer das Problem bei Popmusik. D: Man will die Leute ja nicht belästigen. Aber man bewegt sich sowieso in einem Genre, wo Sloganhaftigkeit erwünscht ist. Wir haben ja mit den letzten zwei, drei Alben Sachen gemacht, die möglichst weit weg davon sind. Weil uns eben diese Nähe zum Werbetext so unglaublich deprimiert hat.

? Der umgekehrte Effekt ist genau auch denkbar: Wenn man sich lange an einer Idee abarbeitet, wird man immer präziser. Und das hört man den Songs an: dass alles immer noch genauer dargestellt werden will. Und wenn so Sachen dann andauernd noch präziser werden, dann ist das ganz klar nicht Werbetext oder Zeitgeist-Ding, sondern wird als Kunst erkennbar.

D: Ja, das ist tatsächlich etwas, was ich als Texter erst in der letzten Zeit gelernt habe: Präzision bringt etwas – eine Sichtweise, gegen die ich mich relativ lang gewehrt habe. Und die Texte sind tatsächlich sehr präzise, ich habe sehr lange daran herumgedoktert. Und diese Präzision, so mein Gefühl, hilft tatsächlich gegen die Vereinnahmung, die macht das alles hieb- und stichfest.

? Die Songs kann man auch immer und immer wieder hören, die haben so etwas Hypnotisches. Weil die Stimme wie ein weiteres Instrument daherkommt und total in der Musik drin ist.

D: Das ist uns wahnsinnig wichtig. J: Das freut mich, wenn der Eindruck bei euch entstanden ist, weil das von uns gewünscht wäre. Unser Produzent Moses Schneider hat auch eine eigene Soundvision entwickelt, die sich, ähnlich wie die Texte, gegen den Zeitgeist wendet. D: Wir haben sehr ungewöhnlich aufgenommen, mit einer Mikrofonierung, die eigentlich aus dem Klassikbereich kommt, wie man in den 60er-Jahren Sinfonien aufgenommen hat. Deshalb wirkt das alles so räumlich und groß, aber ohne überproduziert zu sein. Es ging gegen diese bestimmte deutschrocktypische Art von Produktion: Stimme total im Vordergrund; leicht penetrante komische Frequenzen – damit auch jeder alles mitbekommt. Die Leute sind viel zu fixiert auf das Verständnis einzelner Textinhalte. Mir ist es lieber, es erzeugt eine Hypnose als eine Verständlichkeit. “Mein Ruin” z. B. steht ja textlich in krassem Widerspruch zu der rockigen Musik. Der Text ist eher campy, so chansonesk: Der letzte Vorhang fällt, die Schminke läuft herunter, tropft aufs Yves-Saint-Laurent-Kleid. Das hat so was sehr campy Feminines, in dem rockigen Stück. Tocotronic sind ja überhaupt sehr campy und exaltiert geworden. D: Camp hat so was wahnsinnig Schönes, weil es halt so hübsch ist. Weil dadurch Sachen nicht so bierernst werden.

? Dazu muss man mal sagen: Kapitulation, also Unterwerfung, ist eine eher weibliche Strategie. Die ja oft nicht ganz verkehrt ist. Ein hingebungsvoll offener Umgang mit sogenannten Schwächen lässt die Kommunikation ja oft flutschen, die Nachsicht mit den anderen und das Hadern mit eigener Individuation hat schon den einen oder anderen zur Erleuchtung gebracht. Und wenn “Harmonie eine Strategie” ist, wie du in einem Stück singst, dann lassen sich dadurch vielleicht sogar Zusammenbruch oder eigene Unzulänglichkeiten überwinden.

D: Schön, dass du das sagst, als Frau. Ich kann mir selbst natürlich nicht anmaßen, Kapitulation als weibliche Strategie zu behaupten. Aber genauso fühle ich es auch. So war das auch gedacht beim Machen. Es ist natürlich die anti-männliche Geste überhaupt, sich zu unterwerfen! Und gerade in der Rockmusik herrscht so ein beschissenes Machotum. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass es diesbezüglich einen wahnsinnigen Backlash gibt. Dieses in letzter Zeit Selbstverständliche des Geschlechtsspezifischen: “Nur für Jungs” oder “Nur für Mädchen”. Irgendwo auf einem Kneipenklo habe ich letztens gelesen: “Es gibt mehr als nur zwei Geschlechter.” Da war ich so total gerührt und dachte: Mein Gott, Gott sei Dank. Weil es einfach so wahnsinnig hübsch irritierend ist, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Und dieses Macho-Ding ist so total deprimierend! J: Ich kann dem nur zustimmen. Wir finden das natürlich gut, gerade als Rockband mit all den sterbenslangweiligen Klischees, die da wie ein Rattenschwanz dranhängen, den Versuch zu unternehmen, die männliche Perspektive in Frage zu stellen oder für uns selbst schlichtweg nicht zu akzeptieren.


? Uns dieses Statement bringt ihr mit so einer total rockigen Wucht...

D: “Kapitulation” ist natürlich auch eine Kampfansage gegen die ganze “Gschaftlhuberei”, die ganzen Bands sind alle über die Jahre so fleißig geworden: dieses ganze “Wir machen das und das” – als müssten sie eine Medaille gewinnen. Und dann immer dieses anbiedernde “unsere Fans dürfen wir natürlich auch nicht enttäuschen”. Mein Gott, Rockmusik war doch auch mal ein Beruf für Taugenichtse und arbeitsscheues Gesindel. Was soll denn dieser heilige Fleiß? J: Ich brauche auch mal Zeit für Unfug. Zeit, Sachen zu machen, die irgendwie nicht wichtig sind für die Karriere. So entsteht dann auch wieder Schönes, was vielleicht weiterbringt. D: Es gibt einfach einen starken, auch in den Medien Zeitgeist-lancierten anti-intellektualistischen Backlash. Die Leute kriegen halt eingetrichtert, alles muss ganz klar sein. Alles muss ganz authentisch sein. Und wann immer irgendwie was in Verdacht steht, komisch ambivalent zu sein, irgendwie eigenartiges Geschwurbsel, das wird dann total gedisst. Es nervt auch, wie schnell eine Band als total “verkopft” gilt. Bei Romanen ist es ja auch so. Immer soll alles möglichst autobiografisch sein. In manchen Fällen ist das toll und sinnvoll, aber zur Regel erhoben ist es großer Quatsch. D: Das ist so ein Widerspruch in sich. Weil Kunst doch auch bedeutet, dass man sich was ausdenkt. Ich meine, es ist vollkommen egal, ob Dostojewski – oder wer auch immer – alles, worüber er schreibt, selbst erlebt hat. Die Leute argumentieren, als hätte es so was wie “Susan Sontag against Interpretation” oder Roland Barthes, also eine moderne Herangehensweise an Texte, nie gegeben. Und die ist ja nun auch schon 30 Jahre alt: diese Erkenntnis, dass man eher mittels strukturaler Analyse oder so an Texte rangehen soll. Und nicht nur auf diese blödsinnige Art der interpretatorischen Ebene. Das ist halt einfach “grad net so g’schätzt”. [lacht]

? Ist euer Misstrauen gegenüber einer authentischen Rezeption von Texten ein Grund, warum du gerade deine gesammelten Songtexte in einem Kunstbuch bei der Galerie Buchholz veröffentlicht hast?

D: Ich hatte ein paar Angebote von größeren Verlagshäusern. Aber ich fand es zu tautologisch, die Texte noch mal einfach so abzudrucken. Sie sind ja in den CD-Booklets sowieso schon veröffentlicht. Und es sind keine Gedichte, sondern Texte, die entstanden sind, um in Rockmusik zu passen. Dann kam bei einem Kölsch mit dem Galeristen Daniel Buchholz die Idee: Lass uns doch daraus ein Künstlerbuch machen. Dann haben die Künstler Sergej Jensen, Cosima von Bonin und Michael Krebber das Buch gestaltet und Reproduktionen von ihren Sachen eingeklebt. Die überlagern stellenweise die Songtexte. J: Da entsteht ein Mehrwert. Das finde ich das Schöne daran. Dass man die Songtexte nicht so ordentlich aufgereiht in einem Bändchen hat, sondern dass sie wieder mit etwas verflochten sind, was nicht mit Musik zu tun hat. Wir alle interessieren uns ja zunehmend sehr für Kultur jenseits von Musik. Es klingt immer ein bisschen eitel, wenn man das sagt: aber Musik macht man schon selber, da muss man nicht jeden Tag zu Konzerten rennen. Ich finde es sehr interessant, Sachen auch mal bei einer Tasse Tee zu hinterfragen; nicht immer nur so “yeah!”. D: Du hast ja ein eher analytisches Verhältnis zu so was. J: Ja, gefällt mir gut. D: Wobei meine Form des Interdisziplinären eine totale Fan-Haltung ist! Das ist ja wirklich ein Glück, dass man mit so vielen interessanten Leuten zusammenkommt, Schriftstellern, Künstlern usw. Wenn man halbwegs porös ist, beeinflusst einen das natürlich. Man kann von jemandem wie Michael Krebber wahnsinnig viel lernen!

? Ihr spielt nun schon seit 14 Jahren zusammen, und man hat das Gefühl, dass ihr euch immer noch viel zu sagen habt und bei jeder Platte wieder Neues aus euch rausholt und auslotet.

J: Darüber sind wir manchmal selbst überrascht. Wir thematisieren Band-Hierarchien, und die verändern sich auch. Wenn jeder immer dieselben Aufgaben hätte, das wäre ja langweilig. Die Sachen müssen sich bewegen.

? Es ist sowieso erstaunlich, wie man sofort mitbekommt, dass es live eingespielt wurde: trotz aller produktionstechnischen Raffinesse und Perfektion. J: Es ist in gewisser Hinsicht viel schwieriger, ein Album live einzuspielen. Weil man die Stücke viel weniger zurechtbasteln kann. Stand dieses große Wort “Kapitulation” von Anfang an fest? So nach dem Motto: Wow, wir feiern jetzt die Kapitulation? Lass uns mal über diesen Gestus reden. D: Das war wie eine Erleuchtung oder wie so eine Epiphanie. Ich hatte die ersten drei Zeilen von “Mein Ruin” und dachte: Toll, das knallt so wahnsinnig rein! Aber es hat uns selbst auch sehr viel Angst gemacht. Weil es einem doch sehr den Boden unter den Füßen wegzieht. Es steht ja auch völlig im Widerspruch zum Optimismus, der im Moment bei den Leuten so angesagt ist.

? Du meinst diesen optimistischen Willen zum Durchhalten, zur Selbst-Disziplinierung auch? D: Genau. Und wir waren uns so wahnsinnig unschlüssig, fragten uns, kann man das machen oder nicht.

Versteh ich: Kapitulation hat etwas sehr Ambivalentes, aber das ist vielleicht auch das Gute daran. D: Ja, und irgendwie hat sich das so langsam durchgefräst. J: Es hat bei allen vieren von uns schon ein bisschen Zeit gebraucht, bis man “Kapitulation” immer schöner und das Konzept plötzlich beruhigend fand. Das Gute ist, dass Sachen, die ein bisschen länger brauchen, bis man sie erschließt, auch länger halten. D: Ja, an denen hat man lang was. [lacht] Das Essen, das einem schwer im Magen hängt, da hab ich lang was davon. [Gelächter] Und dieser Begriff lag uns eben auch schwer im Magen am Anfang. Aber irgendwie, ich mein das völlig wertungsfrei, wussten wir auch, dass es große Kunst ist. Wir wussten nur noch nicht so richtig damit umzugehen. Weil es natürlich auch wahnsinnig gewagt ist, als Band – das mein ich jetzt auch völlig wertungsfrei – eine Platte “Kapitulation” zu nennen. In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Bands ihre Platten “Jetzt geht’s los!” oder was-weiß-ich-was nennen. Und das auch mit einem gewissen Recht.

? Hat man Angst, dass so ein Titel sozusagen auf die Band zurückschlägt, zur self-fullfilling Prophecy wird?

J: Nee, ich hab da eine ganz andere Angst. Ich möchte nicht, dass etwas, das schön und wichtig ist, zu einer Marketing-Idee verkommt. Mir fällt das sehr oft bei Bands auf: Da gibt es eine Idee bei einer Platte, die wird dann breitgetreten und verkauft. Und die Idee dadurch ein bisschen getötet. D: Wir wollten nicht, dass “Kapitulation” zu einer Marketingidee verkommt. Und wir somit wieder in die Nähe des Werbetexters geraten. J: Das ist ja immer das Problem bei Popmusik. D: Man will die Leute ja nicht belästigen. Aber man bewegt sich sowieso in einem Genre, wo Sloganhaftigkeit erwünscht ist. Wir haben ja mit den letzten zwei, drei Alben Sachen gemacht, die möglichst weit weg davon sind. Weil uns eben diese Nähe zum Werbetext so unglaublich deprimiert hat.

? Der umgekehrte Effekt ist genau auch denkbar: Wenn man sich lange an einer Idee abarbeitet, wird man immer präziser. Und das hört man den Songs an: dass alles immer noch genauer dargestellt werden will. Und wenn so Sachen dann andauernd noch präziser werden, dann ist das ganz klar nicht Werbetext oder Zeitgeist-Ding, sondern wird erkennbar als Kunst.

D: Ja, das ist tatsächlich etwas, was ich als Texter erst in der letzten Zeit gelernt habe: Präzision bringt etwas – eine Sichtweise, gegen die ich mich relativ lang gewehrt habe. Und die Texte sind tatsächlich sehr präzise, ich habe sehr lange daran herumgedoktert. Und diese Präzision, so mein Gefühl, hilft tatsächlich gegen die Vereinnahmung, die macht das alles hieb- und stichfest.

?Die Songs kann man auch immer und immer wieder hören, die haben so etwas Hypnotisches. Weil die Stimme auch einfach wie ein weiteres Instrument daherkommt und total in der Musik drin ist.

D: Das ist uns wahnsinnig wichtig. J: Das freut mich, wenn der Eindruck bei euch entstanden ist, weil das von uns gewünscht wäre. Unser Produzent Moses Schneider hat auch eine eigene Soundvision entwickelt, die sich, ähnlich wie die Texte, gegen den Zeitgeist wendet. D: Wir haben sehr ungewöhnlich aufgenommen, mit einer Mikrofonierung, die eigentlich aus dem Klassikbereich kommt, wie man in den 60er-Jahren Sinfonien aufgenommen hat. Deshalb wirkt das alles so räumlich und groß, aber ohne überproduziert zu sein. Es ging gegen diese bestimmte deutschrocktypische Art von Produktion: Stimme total im Vordergrund; leicht penetrante komische Frequenzen – damit auch jeder alles mitbekommt. Die Leute sind viel zu fixiert auf das Verständnis einzelner Textinhalte. Mir ist es lieber, es erzeugt eine Hypnose als eine Verständlichkeit. “Mein Ruin” z. B. steht ja textlich in krassem Widerspruch zu der rockigen Musik. Der Text ist eher campy, so chansonesk: Der letzte Vorhang fällt, die Schminke läuft herunter, tropft aufs Yves-Saint-Laurent-Kleid.

? Das hat so was sehr campy Feminines, in dem rockigen Stück. Tocotronic sind ja überhaupt sehr campy und exaltiert geworden.

D: Camp hat so was wahnsinnig Schönes, weil es halt so hübsch ist. Weil dadurch Sachen nicht so bierernst werden.

? Dazu muss man mal sagen: Kapitulation, also Unterwerfung, ist eine eher weibliche Strategie. Die ja oft nicht ganz verkehrt ist. Ein hingebungsvoll offener Umgang mit sogenannten Schwächen lässt die Kommunikation ja oft flutschen, die Nachsicht mit den anderen und das Hadern mit eigener Individuation hat schon den einen oder anderen zur Erleuchtung gebracht. Und wenn “Harmonie eine Strategie” ist, wie du in einem Stück singst, dann lassen sich dadurch vielleicht sogar Zusammenbruch oder eigene Unzulänglichkeiten überwinden.

D: Schön, dass du das sagst, als Frau. Ich kann mir selbst natürlich nicht anmaßen, Kapitulation als weibliche Strategie zu behaupten. Aber genauso fühle ich es auch. So war das auch gedacht beim Machen. Es ist natürlich die anti-männliche Geste überhaupt, sich zu unterwerfen! Und gerade in der Rockmusik herrscht so ein beschissenes Machotum. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass es diesbezüglich einen wahnsinnigen Backlash gibt. Dieses in letzter Zeit Selbstverständliche des Geschlechtsspezifischen: “Nur für Jungs” oder “Nur für Mädchen”. Irgendwo auf einem Kneipenklo habe ich letztens gelesen: “Es gibt mehr als nur zwei Geschlechter.” Da war ich so total gerührt und dachte: Mein Gott, Gott sei Dank. Weil es einfach so wahnsinnig hübsch irritierend ist, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Und dieses Macho-Ding ist so total deprimierend! J: Ich kann dem nur zustimmen. Wir finden das natürlich gut, gerade als Rockband mit all den sterbenslangweiligen Klischees, die da wie ein Rattenschwanz dranhängen, den Versuch zu unternehmen, die männliche Perspektive in Frage zu stellen oder für uns selbst schlichtweg nicht zu akzeptieren.



Ellen Willis und Ann Powers
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